„Der permanente Widerstand fordert die permanente Unterdrückung heraus“


Von Parvin Ardalan*

„Am Morgen des 9. Juli 2007 erschüttert die aufständische Kreativität erneut den Körper unserer verwirrten Gesellschaft. Sehr schnell verbreitete sich die Nachricht der Verhaftung der Mitglieder des ‚Zentralkomitees des Büros zur Festigung der Einheit‘, Bahare Hedayat, Mohammad Hashemi, Ali Nikounesbati, Mehdi Arabshahi, Hanif Yasdani, Ali Waqfi. Sie sitzen auf dem Boden und sprechen mit uns, durch die eingerahmten Bilder, die sie hochhalten. Der Sitzstreik und das Bild des Sitzstreiks dieser sechs Personen vor dem Gebäude der Amirkabir-Universität ist die kreative Wiederbelebung der Ereignisse von 1999 auf dem Universitätscampus, besonders für die Vergeßlichen. Sie [Studenten] sind es dieses Mal, die anders als die Pressuregroups [Bassiji-Gruppen] uns überfallen und uns auffordern gegen die ansteckende Verwirrung der Zeit kreativ Widerstand zu leisten. Sie zwingen uns die Ereignisse auf dem Universitätscampus vom 9. Juli nicht zu vergessen, sie zwingen uns, den Kampf für die Freilassung der acht Studenten der Amirkabir-Universität nicht zu vergessen. Sie haben ihren Sitzstreik nicht vorher öffentlich angekündigt, aber ihre Präsenz war öffentlich, damit sie den Ängslichen und den Wohlgesinnten etwas entgegen setzen. Der Preis dieser Präsenz ist ihre Verhaftung und die Verhaftung von zehn weiteren Mitgliedern des Büros zur Festigung der Einheit.

In einem Klima, das von der Maklerökonomie und vom Leben auf der Grundlage des Kosten-Nutzen-Denkens bestimmt wird, in dem alle Dimensionen des Lebens kontrolliert und die intellektuelle Angeberei zur politischen Methode der Zeit wird, wird jeder Preis, der zu zahlen wäre, als irrational erklärt, nicht wegen des Druckes und der Unterdrückung, sondern wegen des Schutzes der eigenen politischen und opportunistischen Wirtschaftsinteressen.

Jede Veränderung wird in die Zukunft verschoben. Die Widerstandsbewegungen aber sind ein Zeichen einer bewussten Wahl gegen den ansteckenden und gängigen Fatalismus.

Sie setzen unser Bewusstsein in Aufruhr, nicht weil sie Helden spielen wollen oder Extremisten sind, sondern weil sie sich gegen den Opportunismus der Zeit wenden.

Das öffentliche Zeigen ihrer Bilder, hätte sogar bevor die Nachricht des Sitzstreiks bekannt wurde, ihre Wirkung gehabt. Vielleicht weil ihre Bilder die gewohnten Bilder ihrer Zeit angreifen und den Geist der Menschen bewegen. Niemand kann das blutige Hemd in der Hand von Ahmad Batebi am 9. Juli 1999 vergessen. Wer kann die Bilder vergessen, wie Delalarm Ali auf dem Boden liegt, wie Jila Bijaqub in Handschellen, wie die Frauen am 22. Khordad geschlagen werden.

Welche Legende kann das blutige Bild eines Mädchens ersetzen, das wegen seiner Bekleidung von der Polizei attackiert worden ist?

Welche Legende kann das Bild eines Arbeiters, der sich aus Protest selbst erhängt hat, ersetzen, welche Legende kann das Leid, die Unterdrückung und den Protest dieses Arbeiters übertreffen? Wer kann die blutige Grausamkeit einer Regierungspolitik übertreffen, wenn wir an das Bild eines Mannes denken, dem sie eine Wasserkanne an den Hals gehängt haben, um ihn zu erniedrigen. [Eine Wasserkanne, die man auf der Toilette benutzt]

Welche Geschichte kann mehr Ekel hervorrufen, als das Bild einer Frau oder eines Mannes, die halb im Boden stecken, um gesteinigt zu werden?
Diese eindringlichen und bleibenden Bilder, die sich täglich vermehren, setzen dort ein, wo sonst die offiziellen Medien die Proteste verschweigen oder demagogisch als 8 Uhr 30 Nachrichten verkehren und verdrehen. Diese Bilder bleiben und führen zu Augenschmerzen, wie „der Hut von Clemenz“ , der sogar Alpträume verursacht. Die Bilder von den vielen Delarams und Ahmad Batebis jagen einem Menschen Angst ein, denn sie werden nie, wegen den listigen Antworten der Politiker erweichen. Diese Bilder sind Fragmente einer Wahrheit, die sie immer verheimlichen wollen. Es sind Bilder einer offenen Grausamkeit, die kein verklärendes Lächeln der Medien und keine goldenen und illusionären Sätze verheimlichen können. Es sind Bilder von Wirklichkeiten, die die Erinnerungen wach halten.

Im Schatten des schleichenden Putsches
In den letzten Monaten haben die Angriffe gegen Einzelpersonen und gesellschaftliche Gruppen zugenommen. Der schleichende Putsch der sanften Sicherheit ähnelt den Maschinengewehrsalven, die abgeschossen werden, um die Gedächtnisse, die Aktivitäten der Frauenbewegungen, die Arbeit der Syndikate, der Studenten- und der Menschenrechtsbewegung zu zerstören. Sie werden in die Gerichte zitiert, bekommen schwere Urteile, wie Auspeitschen und Gefängnisstrafen. Die illegalen Verhaftungen werden fortgesetzt und ausgeweitet.

Die Verhaftung von Hale Esfandiari, das Ausreiseverbot für Nasi Asima, die unerwarteten Urteile für die weiblichen Mitglieder der Studentenbewegung, für Delaram Ali und Aliye Eqdamdust, die Fortsetzung der Haft der acht Studenten der Amirkabiruniversität, die Verhaftung der Mitglieder des Büros zur Festigung der Einheit, die mit Luftschüssen bei Überfällen auf Wohngemeinschaften einher ging und das Versiegeln eines studentischen Büros, die Verhaftung von Mansur Osanlou, Führer der Busgewerkschaften, die Verhaftung von Amir Jaqubali, Mitglied der Kampagne ‘Eine Million Unterschriften‘, gehören zu den sich übertreffenden Handlungen der Retter der Sicherheit, damit jedes zivilgesellschaftliche Aufatmen der Aktivisten verhindert wird. Es sieht nicht so aus, als ob diese Maßnahmen aufhören. Die Sicherheitsleute sind in Stellung gegangen. Sie wollen nicht, dass es einen nächsten 7. Dezember 1953 gibt [Studentendemonstration gegen den Schah]. Sie sind in Stellung gegangen, damit es keinen 8.März mehr gibt, damit keine Möglichkeit mehr für gewerkschaftliche Proteste existiert, damit keine Gelegenheit mehr entsteht, um bei Wahlen zivilgesellschaftliche Rechte einzufordern, damit sie nicht mehr zulassen müssen, dass wir uns überhaupt bewegen, damit sie sich in einem Klima der kontrollierten Wahlen die Ansammlung der Polizei anschauen - und dies in einer Geschichte machenden Zeit der zivilgesellschaftlichen Bewegungen.

Der Schatten dieser sanften militärischen Sicherheit ist breit. Die Menschen sollen sich an Angst und an militärische Ordnung gewöhnen. Dafür haben sie Instrumente geschaffen, wie der ‚Kampf gegen die schlechte Bekleidung‘ oder der ‚Kampf gegen den Mob‘, damit jeder seinen vorgeschriebenen Weg geht. Die Beamten wissen sehr genau, dass wenn auch in den ersten Jahren der Revolution der Widerstand gegen die Verschleierung oder gegen die Kleidungsvorschriften an sich als eine Auflehnung gegen die ideologischen Werte betrachtet wurde, heute dagegen jedem Beamten, der das Gesetz durchsetzen will klar ist, dass es nicht mehr um die Werte geht. Denn ihre Ansprechpartner sind meistens junge Frauen und Mädchen, die die Revolution nicht kennen. Im Zeitalter der atomaren Ruhe, geht es nur noch um eine illegitime Machtdemonstration, die auf bebenden ideologischen Säulen beruht. Sowohl die Staatsbeamten als auch die Frauen wissen, dass diese Machtdemonstrationen weder dazu führen, dass jemand den religiösen Vorschriften folgt noch dass ein religiöser Führer auch nur versucht Überzeugungsarbeit zu leisten. In Wirklichkeit ist der Krug schon lange zerbrochen. Sogar die Staatsbeamten führen nicht immer die Befehle aus. Dies kann aber selbst ein Grund dafür sein, warum in der Stadt ein militärisches Klima vorherrscht. Vielleicht kann man sagen, dass die nächtliche Verursachung der Benzinkrise und die daraus folgende allgemeine Wut und die polizeiliche Reaktion, um wieder Ordnung herzustellen, in einem bestimmten Maß einfach dazu diente die Präsenz der Polizei in der Stadt und an den öffentlichen Plätzen zu legitimieren, um letztlich der Ilegitimtät Legitimität zu verschaffen.


Angstlos gegenüber dem Projekt der Schaffung von Angst
Wir sind bereit und dieses Projekt des Schreckens steht uns gegenüber. Sollen wir denn Angst bekommen und uns isolieren oder wie die anderen, denen es zu eng wurde, auswandern? Sollen wir uns erschrecken lassen, Angst haben vor den Verhören, vor Verhaftungen, Inhaftierungen, ob auf Bewährung, oder ohne? Müssen wir uns vor den Auspeitschungen oder vor den langen Haftstrafen erschrecken lassen? Oder müssen wir gegen diese Umzingelungspolitik Widerstand leisten und unsere Stimme an die Allgemeinheit richten?

Ich schaue mir die Bilder der verhafteten Studenten, Frauen und Arbeiter an. Ich betrachte die Ruhe und die Standhaftigkeit dieser mutigen Menschen. Bekommt die Unterdrückung immer die adäquate Anwort? Es sieht so aus, als ob die Strategie des politischen Systems, die gesellschaftspolitischen Aktivisten zu unterdrücken nicht mehr wie früher aufgeht. Früher zog jeder Schlag gegen die politischen Aktivisten große Folgen nach sich. Manche emigrierten, manche kamen in die Kerker, manche wurden isoliert und blieben zu Hause. In Wirklichkeit gehört es zu den langfristigen Zielen der Herrschaft, die Aktivisten, die sozialen Bewegungen und die gesellschaftlichen Institutionen heimatlos zu machen, damit diese sich nicht langfristig organisieren können. Die größten Angriffe dieser Art waren die systematischen Angriffe gegen die Büros der nationalreligiösen Gruppen. Das Erstarken der studentischen Bassiji-Gruppen und die Einschränkung der Aktivitäten der muslimischen Vereine, zudem die Verhaftung der Verantwortlichen der studentischen Zeitschriften, der Angriff auf die gewerkschaftlichen Büros, die Plombierung der zivilgesellschaftlichen Institutionen und die Schließung des Büros der Festigung der Einheit gehören alle zum Programm unserer teuren Sicherheit. Wie Erdbeben schlagen diese Programme ein, um erneut eine Bewegung auszulöschen.

In Wirklichkeit lässt jedes Treffen, an dem sich die Bewegung organisieren will, die Sicherheitsorgane nicht ruhig schlafen. Die Bewegung könnte doch ein Denken hervorbringen, das eine effektive Macht werden könnte. Daher wird sofort die Kontrollmaschinerie in Bewegung gesetzt, in dem Glauben, dass durch jeden Angriff eine der Bewegungen gestoppt wird.

Es sieht so aus, als ob sich ein solcher Glaube in der Regel durchsetzt und bis zu einem gewissen Maß auch die Aktivitäten einer Gruppe oder einer Bewegung kurzfristig still legt. Aber in den heutigen Zeiten, in denen die zivilgesellschaftlichen Bewegungen ihre Bündnisse mit anderen Bewegungen unter Beweis stellen, in einer Zeit, in der die Bewegungen nicht an einem Ort ausfindig zu machen sind, hauchen diese sich gegenseitig Leben und Geist ein. Ihre allgemeinen Forderungen bewirken, dass sich auch ihre Familienangehörigen nicht nur als eine isolierte heilige Familie schützen, sondern eine aktive Familie werden, so dass keine Angst mehr existiert, wenn sie ohne einen festen Ort leben müssen. In unseren Häusern finden Bewegungen statt, die niemand mehr aufhalten kann. Anders als das, was die Strategen der Unterdrückung sich vorgestellt haben, findet gegen die permanente Unterdrückung ein permanenter Widerstand statt. Denn wenn die staatliche Unterdrückung so direkt und offensichtlich wird, werden Reaktionen hervorgerufen, Ängste verwandeln sich in Mut. Daher erzeugt die permanente Unterdrückung auch nicht mehr so viel Angst und Schrecken. Die Widerstandsbewegung ist bereit jeden Preis zu zahlen, und wird keine Ruhe geben. Die Bewegung wird überall auftauchen.

Ich starre auf die Photos von Bahare Hedayat, von Abdullah Momeni, von Delaram Ali, von Mansour Osanlou, von Aliyeh Eqdamdust. Wie soll ich sie beschreiben? Studentische Aktivisten, Frauenrechtlerinnen, Gewerkschaftler? Oder nennen wir sie alle? Die Delarams, die Bahares, die Mariam Sia, die Osanlous, die Momenis, und und und, wie kann ich sie alle beschreiben? Die gesellschaftlichen Bewegungen haben eine große Macht, die uns Glauben, Standhaftigkeit und Bewegung verleihen, ein glücklicher Zufall, der die Strategen der Unterdrückung in Schrecken versetzt, so dass sie die Unterdrückung verstärken.

Ich starre auf die Photos. Ein kreativer Aufstand, aber friedlich, selbstbewusst und machtvoll schreitet voran und jagt der Angst Angst ein. Es ist kein Schrecken, es ist Wärme, Leidenschaft und Liebe, die der gereizten Gesellschaft Wärme gibt. Es hängt von uns ab, dass dieses pulsierende Herz nicht aufhört zu schlagen.“



* Parvin Ardalan ist eine der bekanntesten in Iran lebenden Frauenrechtlerinnen. Im folgenden Artikel gibt sie ein Bild des Widerstandes gegen die Willkürherrschaft wieder.
Der Artikel ist zunächst in der Frauenwebsite Sanestan und dann in der Exilzeitung Rooz erschienen.


[http://www.roozonline.com/archives/2007/07/006009.php]

Erklärung

Internationale Solidarität mit den Kämpfen der Frauen im Iran
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Nach 28 Jahren hat die iranische Frauenbewegung viele Tiefen und Höhen hinter sich gebracht. Stets hat sich die Frauenbewegung auf internationale Verträge gestützt, um Forderungen nach „Gleichberechtigung“ und „Aufhebung der diskriminierenden Gesetze“ zu erheben. Nun tritt die Bewegung in eine entscheidende Phase. Die Kämpfe der fortschrittlichen Frauen bei der Gründung von kulturellen Zentren, bei Gruppenaktivitäten und bei der Organisierung von Protestaktionen, wie z.B. der „Kampagne 1 Mio. Unterschriften“ und der Kampagne „Gegen Steinigung“ erwecken neue Hoffnungen.
Die Formulierung dieser Diskurse und das Voranbringen solcher sozialen Bewegungen werden ohne Zweifel die Forderungen nach „Gleichberechtigung“ und „Freiheit“ miteinander verknüpfen. Ohne Zweifel können wir sagen, dass heute die Frauenbewegung, parallel zu anderen freiheits- und gerechtigkeitsfordernden gesellschaftlichen Bewegungen im Zentrum der demokratischen Kämpfe steht.
Die Frauenbewegung im Iran hat Frauen und Männer mit unterschiedlichsten Vorstellungen um sich gesammelt, um die Forderungen nach Gleichberechtigung zu verteidigen, und soziokulturelle Aktionen durchzuführen, die alle Dimensionen der Macht in Frage stellen. Denn das Geschlechterverhältnis ist ein soziales, politisches und kulturelles Gebot, das alle Bereiche des Lebens, von der privaten Sphäre bis zur Gesellschaft umfasst. Daher führt die Auseinandersetzung mit der Frauenbewegung dazu, dass jedes Mitglied der Gesellschaft über alle privaten, sozialen und politischen Probleme kritisch nachdenkt. Im heutigen Iran ist „Badhejabi“ [unislamische Bekleidung] ein Grund für tägliche Angriffe der Regierungskräfte gegen Frauen, die Nein zum ideologischen Modell der islamischen Ordnung sagen. Gleichzeitig rechtfertigen die Herrschenden die Übergriffe und stabilisieren die Lage derjenigen, die in der Gesellschaft Angst und Schrecken verbreiten. Die Zwangsverschleierung der Frauen, die als die Manifestation ihrer Bevormundung zu betrachten ist, hat sich inzwischen zu einem Instrument der Unterdrückung auf allen gesellschaftlichen Ebenen verwandelt.

In Wirklichkeit ist die Lage der Frauen wie ein Spiegel für die Gesellschaft und der Feminismus ist eine Sichtweise, die Aufklärung über die Geschlechterbeziehungen betreibt und dadurch die komplizierten Machtbeziehungen in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aufdeckt. Das feministische Denken und Handeln kann nicht durch den Rahmen einer Partei oder einer Organisation begrenzt werden. Gleichzeitig kann nicht bestritten werden, dass die politischen und andere Gruppenrivalitäten hier miteinander konkurrieren. Wenn es um die Verteidigung der Frauenbewegung geht, ist es sehr wichtig, dies zu berücksichtigen.

Ohne Zweifel gehören die genannten Aktivitäten zu den wichtigen Aufgaben der fortschrittlichen iranischen Frauen, die erprobt werden müssen. Die Positionierung der Individuen und der Gruppen in Hinblick auf Freiheit und Gleichberechtigung und sozialer Gerechtigkeit der Frauen wird den Erfolg der Aktivitäten unter Beweis stellen.

Wir sind eine Gruppe von iranischen Frauen im Exil, die seit Jahren für die Verbesserung der Lage der Frauen kämpfen. Wir sind unter solchen gefährlichen Bedingungen zusammengekommen, um geeinte Schritte zur Unterstützung der Forderungen nach Gleichberechtigung der Frauen im Iran zu unternehmen und werden dabei unsere unterschiedlichen politischen Vorstellungen in diesem Zusammenhang zurückstellen. In diesen Jahren haben wir Nein zum „islamischen Feminismus“ gesagt und haben stets von der Notwendigkeit des unabhängigen Kampfes der Frauen gesprochen, um Gleichberechtigung und Freiheit zu erreichen.
Unsere gemeinsamen Schritte basieren auf folgendem Minimalkonsens:

1) Die notwendige und aktive Verteidigung der Frauenbewegung in Iran erfolgt auf der Grundlage der internationalen Menschenrechtserklärungen und der Frauenrechte. Dabei fordern wir „Gleichberechtigung“, um alle geschlechtsspezifischen Diskriminierungen aufzuheben.
2) Wir glauben fest daran, dass die Forderungen der Frauen nach Freiheit und Gleichberechtigung mit keiner Erklärung und Interpretation der ethnischen, religiösen und nationalen Identitäten einschränken werden. Daher sind wir der Überzeugung, dass der „islamische Feminismus“ und die „islamischen Menschenrechte“ den Weg zu Freiheit und Gleichberechtigung nicht ebnen werden.
3) Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Forderungen nach „Gleichberechtigung“ mit den Forderungen nach „Freiheit“ verknüpft werden, um eine breite Frauenbewegung zu organisieren, die sich mit anderen demokratischen Bewegungen vereinigt.
4) Wir kämpfen gemeinsam gegen die Zwangsverschleierung, die die Manifestation der Bevormundung der Frauen darstellt und ein Instrument der geschlechtspezifischen Diskriminierung ist.
5) Wir gehen davon aus, dass die Fortsetzung der Unterdrückungsmaßnahmen die Frauenbewegung zu einem Tiefpunkt bringen kann. Da wir im Exil jedoch über die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung verfügen, wollen wir, unter Beibehaltung unserer Meinungsvielfalt, den Kampf der Feministinnen in Iran unterstützen.

Mit diesem Aufruf wollen wir in europäischen Städten und in Nordamerika verschiedene Maßnahmen ergreifen, um aktiv die Frauenbewegung in Iran zu unterstützen. Wir fordern alle Frauen auf, die unsere Positionen teilen und die Gefahren der gegenwärtigen Verhältnisse erkennen, mit uns zusammenzuarbeiten.


Folgende Personen haben die Erklärung unterzeichnet. Die Anordnung der eingetragenen Namen erfolgt alphabetisch:

1- Shahla Abghari – USA
2- Simin Afshar – Deutschland
3- Ealahe Amani – USA
4- Negar Amuzandeh – Kanada
5- Irandocht Ansari – Frankreich
6- Lehila Aslani – Deutschland
7- Anna Asieh Pak – Frankreich
8- Mariam Azimi – Deutschland
9- Chahla Chafiq – Frankreich
10- Mahvash Dalai – Deutschland
11- Haideh Daragahi – Schweden
12- Jasmin Darvish – Österreich
13- Parvin Ebrahimzadeh - Deutschland
14- Giti Edalati – Deutschland
15- Shahla Feyzi – Deutschland
16- Ghodsi Hejazi – Deutschland
17- Farmiah Ijadi – Deutschland
18- Sholeh Irani – Schweden
19- Atefe Jafari – Deutschland
20- Golroch Jahangiri – Deutschland
21- Mihan Jazani – Frankreich
22- Fatemah Kabiri – Deutschland
23- Monireh Kazemi - Deutschland
24- Nargese Kermanshahi – Kanada
25- Sima Mahzari – Deutschland
26- Soheila Mirzai – Deutschland
27- Akram Mosavi – Deutschland
28- Nahid Nosrat – Deutschland
29- Hamila Nisgili – Deutschland
30- Mariam Nouri – Deutschland
31- Mahshid Pegahi – Deutschland
32- Katayon Pirdavari – Deutschland
33- Mahshid Rasti – Schweden
34- Mahan Rusat – Deutschland
35- Nasrin Saadeghi – Deutschland
36- Saideh Sadat – Deutschland
37- Elahe Sadr – Deutschland
38- Parvin Saghafi – Deutschland
39- Giti Salami – Deutschland
40- Parvaneh Sepehr – England
41- Jaleh Talen Hariri – Deutschland
42- Parvaneh Zargar – Deutschland
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Internationales Netzwerk zur Solidarisierung mit der iranischen Frauenbewegung
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Iran: Ein Gedenktag der Frauenbewegung

Vor zwei Jahren ist der 12. Juni in die Geschichte der iranischen Frauenbewegung eingegangen. In den letzten beiden Jahren wurden die Protestveranstaltungen anlässlich der Niederschlagung der friedlichen Demonstration für Menschenrechte gewaltsam im Keime erstickt. In diesem Jahr fanden die Gedenkveranstaltungen zum 12. Juni in privaten Räumen statt.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die reformislamistische Bewegung im Iran gescheitert ist und diese darüber hinaus nicht die Interessen der iranischen Frauenbewegung vertreten konnte, entschieden sich die Frauen, eine unabhängige zivilgesellschaftliche Bewegung zu organisieren, kommentierte Frau Dr. Ladan Borumand in der persischsprachigen Sendung von Voice of America. Sie sagte, dass „die iranischen Frauen sich nach dem Scheitern der Reformbewegung entschieden haben, nicht mehr auf die staatliche Politik zu vertrauen, sondern eine eigenständige gesellschaftliche Bewegung zu organisieren.“ Diese Entscheidung sei schon vor der Wahl Ahmadinejads unter der Präsidentschaft Khatamis getroffen worden. Die Frauen würden der Staatspolitik nichts mehr abgewinnen können und setzten daher nur auf eine demokratische Bewegung von unten. Bahere Hedayat, eine Anruferin, die das iranische Exilradio aus Teheran anrief, erzählte authentisch, dass die Proteste sich fortsetzen würden, aber im Stillen. Sie kritisierte besonders scharf die von Regierungsmitgliedern propagierte Polygamie, die „eine staatliche Förderung von Prostitution“ darstelle.
Erklärung der 700
In einer Erklärung, die von mehr als 700 im Iran lebenden „Verteidiger der Menschenrechte“ unterzeichnet wurde, wird auf die Kampagne "1 Million Unterschriften" hingewiesen. Mit dieser Kampagne versuchen die iranischen Frauenrechtlerinnen eine breite gesellschaftliche Basis zur „Änderung der diskriminierenden Gesetze“ herzustellen. Im November letzten Jahres kündigten iranische Frauenrechtlerinnen in Teheran öffentlich die Kampagne „1 Million Unterschriften“ an. Es geht um die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern und um die Umsetzung der universellen Menschenrechte.
In der Erklärung erinnern die 700 Unterzeichner an die in den letzten Monaten verhafteten Personen, an Verhöre, an hohe Kautionen, die im Falle der Freilassung von Verhafteten eine große Belastung darstellten. In 121 Fällen seien mehr als rund 1 Million Euro Kaution zur Freilassung von festgehaltenen Frauen verlangt worden. Damit versucht die Diktatur die Bewegung regelrecht finanziell zu ruinieren. Für friedlich demonstrierende Frauen seien bis zu 9 Jahren Haftstrafe ausgesprochen worden. Nach offiziellen Zahlen seien 14.635 Frauen in verschiednen Teilen des Iran verhaftet worden, mehr als 67.000 Frauen seien verwarnt worden. In der Erklärung heißt es: „Die Dimensionen dieser Katastrophe sind sehr groß. Es scheint, als ob die permanente Institutionalisierung von Angst in den Herzen der Frauen das Ziel sei, damit diese sich nicht mehr in der Gesellschaft präsent zeigen. Man will die Frauen zwingen zu Hause zu bleiben.“
In der Erklärung wird betont, dass die jungen Studentinnen sich immer stärker an der Studentenbewegung beteiligen. Es wird kritisiert, dass in diesem Jahr die Studienplätze an den Universitäten „geschlechtsspezifisch rationiert“ worden seien. Das Ziel sei „die Zahl der studierenden Frauen zu verkleinern, damit sie keine höhere Bildung mehr genießen.“ Neben Verhaftungen seien einige Studenten exmatrikuliert worden, meist Frauen. Kritisiert werden nicht nur Belange der Frauen, sondern die Zerschlagung der Lehrer- und Arbeiterproteste, sowie die Ausweisung der Afghanen.
Die schwächsten Glieder der Gesellschaft, Frauen und Kinder, seien diejenigen, die am meisten unter den harten staatlichen Repressionen leiden würden. Gleichzeitig stellen die Autoren der Erklärung einen Zusammenhang mit den Problemen her, die die iranische Regierung in der internationalen Diplomatie hat. Dies würde den Druck auf die Gesellschaft verstärken. Dies sei eine dunkle Seite des Problems. Positiv sei jedoch, dass die aktive Präsenz der Frauen bei den gesellschaftlichen Kämpfen deswegen keineswegs abnehmen würde. Die Frauenbewegung würde in langsamen Schritten stetig weitergehen.
Niemand kann die Bewegung stoppen
Mit Hilfe verschiedener Kampagnen, wie der Kampagne „1 Million Unterschriften“ oder der Kampagne gegen Steinigung, seien zumindest Probleme innerhalb der staatlichen Gesetzgebung, wie das Blutgesetz oder die Strafmündigkeit von Kindern öffentlich thematisiert worden. Die Unterzeichner erklären, dass sie ihren Kampf gegen die Diskriminierung fortsetzen werden. Dabei würden sie mit der Methode „von Angesicht zu Angesicht“ arbeiten und damit die Iraner und Iranerinnen über die diskriminierenden staatlichen Gesetze aufklären, um so die Grundlage für eine sozial aufgeklärte und breite Bewegung zu schaffen. Eine solche Bewegung sei der Beweis dafür, dass die Aktivisten gelernt haben, sich mit viel Geduld für die gerechten Forderungen der iranischen Frauen einzusetzen. Die Unterzeichner warnen die Machthaber davor, dass falls die aggressiven Schritte gegen die Frauenaktivitäten fortgesetzt werden, die gesellschaftlichen Probleme in eine Sackgasse geraten und dadurch unlösbar werden könnten.
Shirin Ebadi, Friedensnobelpreisträgerin, sagte auf einer kleinen privaten Versammlung am letzten Dienstag in Teheran: „Sie haben uns Leid angetan. Sie machten uns aktenkundig. Aber vergessen wir nicht, dass wir nichts umsonst bekommen werden.“ Sie betonte, dass sich inzwischen Frauen unterschiedlichster Couleur aktiv an der Kampagne 1 Million Unterschriften beteiligen würden. Sie sagte weiterhin: „Die Kampagne 1 Million Unterschriften ist heute schon so groß, dass niemand mehr, noch nicht einmal wir selbst, diese Bewegung stoppen können.“
Ohne Islamisten
Im Exil differenziert sich die iranische Frauenbewegung zunehmend. In einer Erklärung gaben Mitglieder eines iranischen Frauennetzwerkes, das sich in Europa und den Vereinigten Staaten neu organisiert hat, nicht nur ihre Solidarität mit der Frauenbewegung im Iran bekannt. Sie schrieben unter anderem, dass die „Forderungen der iranischen Frauen nach Freiheit und Gleichberechtigung durch keine ethnische, religiöse oder nationale Identität eingeschränkt werden dürfe. Daher werden auch der ‚islamische Feminismus’ und die ‚islamischen Menschenrechte’ kein Weg zu Freiheit und Gleichberechtigung sein.“ Gleichzeitig könnten aber Angehörige sehr unterschiedlicher Religionen sowie ungläubige Atheisten die universellen Werte der Menschenrechte, der Freiheit und der Gleichberechtigung der Frauen verteidigen und den Weg ihrer Umsetzung anbahnen.


von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE

Unterstützen Sie den Kampf der iranischen Frauenbewegung*

PRESSEERKLÄRUNG
Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik sind in Sorge um Frauen der Menschenrechtskampagne im Iran

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Seit August letzten Jahres läuft die Kampagne „Eine Million Unterschriften zur Änderung von diskriminierenden Gesetzen“ parallel zu anderen Aktivitäten wie „Kampagne zur Aufhebung der Steinigung“ im Iran. Sie wird getragen von iranischen Frauenrechtlerinnen und beruft sich auf die Allgemeine Menschenrechtserklärung und Gleichberechtigung.
Wegen des großen Erfolges und starker Zustimmung in der Bevölkerung ist diese Bewegung nun zur Zielscheibe des iranischen Machtapparats geworden. Dutzende von Frauen sind bereits unter dem Vorwand, die nationale Sicherheit zu gefährden, verhaftet worden. So sollen einerseits die Aktivistinnen eingeschüchtert und anderseits die Kampagne kriminalisiert werden.
Bei einer Versammlung vor dem Revolutionsgericht, aus Anlass der Solidarität mit mehreren Frauen, die verurteilt werden sollten, wurden im vergangenen März zunächst über 30 Frauen verhaftet. Einige von ihnen wurden grundlos bis zu 17 Tage in Isolationshaft genommen und gegen Kaution freigelassen. Einige von ihnen wurden aktenkundig.
Vor zwei Wochen hat nun ein sog. Revolutionsgericht in Teheran auch die ersten Urteile gefällt. Zwei bekannte Frauenrechtlerinnen, Parwin Ardalan und Nushin Ahmadi Khorasani, wurden zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Weitere Verfolgungen von Feministinnen werden in den nächsten Tagen und Wochen erwartet. Diese Frauen haben sich nichts vorzuwerfen, tragen keine Schuld und haben nichts getan, außer sich für die Rechte der Frauen im Iran einzusetzen.
Das Schicksal der Verurteilten macht wieder deutlich, dass die Frauenrechte als allgemeine Menschenrechte im Zentrum des Kampfes für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Iran stehen. Deshalb ist diese Kampagne für die islamischen Machthaber so gefährlich.
Wir sind in Sorge um die verfolgten und verurteilten Frauen. Deshalb schweigen wir nicht.
Wir unterstützen folgenden Aufruf:
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Unterstützen Sie den Kampf der iranischen Frauenbewegung*
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Die iranische Frauenbewegung schreitet täglich in ihrem Kampf für Freiheit und Demokratie voran. Sie kann einige Erfolge aufweisen, die nur dem Kampf der Frauenrechtlerinnen und Aktivistinnen zu verdanken sind. Das wird besonders an der Mobilisierung für die Kampagne „Eine Million Unterschriften zur Änderung von diskriminierenden Gesetzen“ und für die „Kampagne zur Aufhebung der Steinigung“ deutlich. Dies sind nur Beispiele ihres Einsatzes. Die iranischen Frauenrechtlerinnen beziehen sich dabei auf internationale Resolutionen und Konventionen, die der Iran unterzeichnet hat und die den iranischen Staat zu ihrer Einhaltung verpflichten. Denn der Iran hat die Allgemeine Menschenrechtserklärung unterschrieben und sich damit verpflichtet, Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Dennoch legalisiert die Regierung jegliche geschlechtsspezifische Diskriminierung und die Ungleichberechtigung von Mann und Frau mit ihrer fundamentalistischen Interpretation des Islam. Die iranischen Frauen haben deutlich machen können, dass sie eine aktive Rolle in der Gesellschaft und in der Kultur des Landes spielen wollen. Sie werden insbesondere von der Gesetzgebung der Islamischen Republik als minderwertig betrachtet und dementsprechend behandelt. Diese Gesetze verhindern die freie Entfaltung der Persönlichkeit von Frauen und somit die Entwicklung der gesamten Gesellschaft.
In einer Zeit der dramatischen Zunahme von Spannungen und der Verschärfung von zwischenstaatlichen, ethnischen und religiösen Konflikten in großen Teilen der Erde macht die iranische Frauenbewegung gute Fortschritte und erreicht neue Horizonte in ihrem Kampf für Gleichberechtigung, Menschenrechte und Demokratie. Sie hinterfragt die nationale, ethnische und religiöse Identität grundlegend und rückt damit die universellen Menschenrechte in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Dabei werden die Begrenztheit und Unzulänglichkeit von Begriffen wie „islamischen Menschenrechten“ deutlich gemacht. Unmissverständlich wird klar gestellt, dass der Islam als individuelle Glaubensvorstellung nicht die Negierung von Menschenrechten, von Freiheit, von Gleichberechtigung und von Demokratie bedeuten muss.
Die neue Frauenbewegung ist sich indessen bewusst, dass die kulturelle und religiöse Vielfalt nur im Rahmen der uneingeschränkten Akzeptanz und Anerkennung der Universalität von Menschenrechten gewährleistet werden kann.
Gegenwärtig ist die Frauen- und Frauenrechtsbewegung des Iran zur Zielscheibe eines mächtigen Unterdrückungsapparates geworden. Die Verhaftungen von Dutzenden aktiver Frauen unter fadenscheinigen und erfundenen Vorwürfen, wie Gefährdung der nationalen Sicherheit, hat nur eins im Sinne: Die Frauen zum Schweigen zu bringen und ihrem Kampf ein Ende zu bereiten. Unter den Bedingungen der politischen und informationellen Zensur ist es leider unmöglich, diese Unterdruckung im vollen Umfang einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Aufrufs unterstützen den Kampf der iranischen Frauenbewegung für einen demokratischen Iran.

* Dieses Schreiben wurde ursprünglich durch die Initiative von Chahla Chafiq (feministische Schriftstellerin), Karim Lahidji (Präsident der Liga für Menschenrechte) und Reza Moini (Mitarbeiter von Reporter ohne Grenzen) auf französisch verfasst!

In großer Solidarität:

1- Cathrin Adlers, Pädagogin
2- AG Frauen der Stiftung Umverteilen, Stiftung für eine solidarischen Welt: Elisabeth Bagana / Regina Wep / Ulrike Schätte / Annette C. Eckert / Young Sook Rippel / Mihan Rusta
3- Dr. Farideh Akashe-Böhme, Soziologin, Publizistin
4- Seyran Ates, Rechtsanwältin,
5- Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer, der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen
6- Martina Clauda, Pädagogin
7- Prof. Gernot Böhme
8- Prof. Micha Brumlik
9- Dr. jur. Walter Burger, Rechtsanwalt
10- Dr. Christoph Cobet, Pubilizist
11- Jutta Ebeling, Bürgermeisterin der Stadt Frankfurt
12- Laura Gallati, Musikerin
13- Ulrike Gauderer, Justiziarin
14- Gabrielle Hermsdorf, Künstlerin
15- Mechthild Hirthe, Lehrerin
16- Bärbel Höhn ,Ministerin a.D.
17- Ute Koczy, MdB
18- Matthias Küntzel, Politikwissenschaftler u. Publizist
19- Anna Lührmann, MdB
20- Nicole Maisch, MdB
21- Beate Menger, Dipl. Soz.
22- Gisela Mikuliz, Verwaltungsangestellte
23- Prof. Brita Rang
24- Claudia Roth, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen
25- Christel Sanner, Pädagogin
26- Lutz Sikorski, Stadtrat Frankfurt
27- TERRE DES FEMMES e.V
28- Prof. Christina Thürmer-Rohr
29- Rupert von Plottnitz, Minister a.D.
30- Renate Weim , Pädagogin,
31- Maren Westphal, Sonderpädagogin
32- Roland W. Hölzing, Personaltrainer
33- Wolf Wilberscheid, Energiewirtschaftler
34- Monika Wintermeyer, Dipl. Pädagogik
35- Turgut Yüksel, Stadtverordneter Frankfurt a.M, Koordinator der Initiative der Säkularen und Laizistischen BürgerInnen aus islamisch geprägten Ländern in Hessen (ISL).
36- Inge Zahn, Hochschullehrerin
37- Prof. Dr. Peter Zahn


Zusätzliche Informationen und Unterstützungsmöglichkeiten sind unter :
http://www.weforchange.info/spip.php?article19 zu erfahren.
Verantwortlich : Iranische Frauengruppen in Deutschland
Kontakt: we.forchange@yahoo.de

Wir schweigen nicht!

Protest gegen Urteilsspruch und drohender Verhaftung von aktiven Feministinnen im Iran


Am 24.April 2007 wurden im Revolutionsgericht in Teheran folgende Urteile gegen zwei bekannte Feministinnen im Iran, Parwin Ardalan und Nushin Ahmadi Khorasani, gesprochen:

3 Jahre Haft, davon 6 Monate geschlossener Vollzug und 2,5 Jahre auf Bewährung!
Begründet wurde dieses harte Urteil mit der „Beteiligung an einer Aktivität, die die innere Sicherheit des Landes gefährdet“! Parwin Ardalan und Nushin Ahmadi Khorasani kämpfen aktiv seit Jahren für die Rechte und Gleichstellung der Frauen. Sie sind als aktive Feministinnen bekannt und gehören zu den Gründerinnen der Kampagne „Eine Million Unterschriften, um diskriminierende Gesetze zu ändern“.

Diese Kampagne wurde mit großer Begeisterung von Menschen im Iran angenommen. Der Iran hat die Menschenrechtskonventionen unterschrieben. Die Staaten verpflichten sich darin ausdrücklich gegen die Diskriminierung von Frauen vorzugehen und entsprechende Gesetze abzuschaffen, bzw. Gesetze zum Schutz der Frauen zu verabschieden. Das Iranische Regime verletzt durch solche Urteile genau dieses Menschenrechtsabkommen. Es ist wichtig zu erwähnen, dass in den letzten Tagen das islamische Revolutionsgericht erneut Urteile gegen Azadeh Forghani, Susan Tahmasebi und Fariba Dawudi wegen „Beteiligung an einer Aktivität, die die innere Sicherheit des Landes gefährdet“ gesprochen haben. Es werden weitere Urteile für andere Aktivistinnen erwartet.

Die iranische Regierung ist heute bemüht, mit solchen Urteilen, Angriffen und Repressionen die „schlecht verschleierten Frauen“ „Bad Hedjabha“, die damit der Ideologie der islamischen Regierung ein deutliches „NEIN“ sagen, einzuschüchtern und die Frauenbewegung im Keim zu ersticken. Parallel zur Bekämpfung der studentischen Bewegung und dem Arbeitskampf der ArbeiterInnen und LehrerInnen, wird die feministische Bewegung mit Angriffen und Strafen konfrontiert. Das strenge Urteil gegen Parwin Ardalan, Nushin Ahmadi Khorasani, Azadeh Forghani, Susan Tahmasebi und Fariba Dawudi, die keine Schuld tragen, außer sich für die Rechte der Frauen einzusetzen, zeigt deren feste Absicht, die Frauen zum Schweigen zu bringen.

Das Schicksal der Verurteilten macht wieder deutlich, dass die Frauenrechte im Zentrum des Kampfes für Freiheit und Rechtstaatlichkeit stehen. Deshalb schweigen wir nicht!


Wir, die UnterzeichnerInnen, fordern alle freiheitsliebenden Menschen auf, die sich für die Menschen- und Frauenrechte einsetzen, gegen diese Urteile zu protestieren. Wir sind für eine internationale Stellungnahme für die Aufhebung der Urteile und Verhaftungen. Wir fordern die Durchsetzung der Freiheitsrechten und ein sicheres Leben für die aktiven Feministinnen im Iran.



Ich möchte dabei sein

„Die Herrschaft der Männer über das Volk“


Fariba Dawudi-Mohajer, Juristin und Frauenrechtlerin, gab der Roozonline ein Interview, das im folgenden in zusammengefasster Form dokumentiert wird. Sie macht darauf aufmerksam, dass die iranische Regierung den kleinsten Widerspruch als die Gefährdung der nationalen Sicherheit bewertet. Das Regime greife sofort ein und unterdrücke zivilgesellschaftliche Entwicklungen, die sich jenseits der Massenpropaganda des Staates abspielten. Die Regierung habe offenbar Angst vor der Gleichberechtigung der Frauen. Die Frauenbewegung werde sich nicht von der staatlichen Propaganda de Regimes beeindrucken lassen.
Homa Zarafshan stellt zunächst fest, dass die iranische Frauenbewegung im Grunde noch sehr klein sei. Diese müsse sich ohne ausländische Hilfe entwickeln. Gegenwärtig werde diese Bewegung von einer Minderheit der Frauen in der gesellschaftlichen Mittelschicht getragen. Diese müsse sich sowohl in der Mittelschicht als auch in den unteren sozialen Schichten entwickeln, damit sie sich zu einer gesellschaftlichen Bewegung entwickle.


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„Versteht man unter Volksherrschaft tatsächlich die Herrschaft des Volkes oder die Herrschaft der Männer über das Volk?“
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Dawudi-Mohajer war keine Teilnehmerin der Frauendemonstration im Juni letzten Jahres oder im März diesen Jahres. Dennoch strebt das Teheraner Revolutionsgericht ihre Verurteilung an. Sie fragt, wie es denn passieren kann, dass die „Demonstrationen einiger weniger Frauen, die lediglich gegen die Frauendiskriminierung kämpfen, als eine Maßnahme gegen die nationale Sicherheit betrachtet werden kann?“ Es könne doch nicht wirklich sein, dass ca. 70 Menschen, die alle für eine begrenzte Zeit verhaftet wurden, wobei eine Person sogar vier Monate im Gefängnis bleiben musste, die nationale Sicherheit eines so großen Landes wie des Iran gefährden? Die Frauen seien auf den Demonstrationen und im Gefängnis geschlagen und beschimpft worden und ihre Beschwerden vor den Gerichten seien noch nicht einmal beantwortet worden.

Dawudi-Mohajeri betont, dass „je mehr die Zivilgesellschaft gestärkt wird, desto mehr wird die Massengesellschaft eingeschränkt werden.“ Eine Zivilgesellschaft werde sich nicht in jede beliebige Richtung entwickeln können und werde sich nicht „vom Regime und dessen Propaganda beeinflussen lassen. Daher greift auch die Regierung ein, wenn sich eine starke zivilgesellschaftliche Bewegung herausbildet.“

Besonders wenn sogar nur ein Teil dieser Bewegung nicht-staatlich sei. Zeitungen, Websites, Webloggs würden immer wieder angegriffen werden. Sie beschreibt die Lage wie folgt: „Daher ist es natürlich, dass sie gegen Frauen, die für Gleichheit und gegen Diskriminierung sind, vorgehen.“ Wenn Frauen ihren Anteil von den Männern einfordern würden, würden sie unter Druck geraten. Es könne doch nicht möglich sein, beklagt Dawudi-Mohajer, dass die „Frauen ihre Stimmen den Männern geben, ihre Rechte aber nicht bekommen, die Männer jedoch täglich stärken. Es gibt in diesem Zusammenhang auch keine Differenzen zwischen den Konservativen und den Reformern. Sie müssen alle lernen, dass wenn sie die Unterstützung der Frauen bekommen wollen, sie den Forderungen der Frauen gerecht werden müssen. Und das gefällt nun mal den totalitär denkenden Männern nicht, die keine rivalisierende Stimme auch nur dulden. [...] Die Regierung bedroht die Frauen, ihre Websites werden gefiltert, sie werden von ihren Arbeitsstellen entlassen, gesellschaftlich unter Druck gesetzt, auf illegale Weise durchsucht.“ Sie fragt weiter, ob dies die einzige Antwort des Staates auf friedliche Forderungen der Frauen sei.

Sie führt in ihre Ausführungen weiter aus: „Die Regierung hat Angst vor den Forderungen der Frauen auf Gleichberechtigung. Sie hat Angst vor vielfältigen Stimmen. Sie hat Angst vor einem starken und effektiven Rivalen. Die Regierung will die Gesellschaft und die privaten Räume beherrschen. Die Frau soll eine Ware zu Hause sein und ein Instrument, das in der Gesellschaft den Männern dient. Die Frau soll dem Mann folgen und wenn sie sich auch sexuell nicht fügt, soll sie auch kein Abendbrot mehr bekommen. Die Regierung will die Frau zu Hause und in der Gesellschaft kontrollieren. Die Männer sollen aber an Polygamie Spaß haben. Das Gesetz dient den Männern sogar in ihrer Freizeit. Das ungleiche Erbgesetz, das Blutgesetz und das Zeugenrecht sollen dem Mann gegenüber der Frau wirtschaftliche Unabhängigkeit und sozialen Status verleihen. Die totalitär denkenden Menschen haben Angst vor einer Veränderung dieser Gesetze.“

Dawudi-Mohajeri betont, dass trotz allem die Regierung die Stimme der iranischen Frauen hören müsse. Sie macht darauf aufmerksam, dass die iranischen „Männer in einer Ecke sitzen und Angst haben auch nur ein wenig von ihrer Macht zu verlieren. Die Männer werfen den Aktivistinnen vor zu weit zu gehen.“ Die aktiven Frauen könnten die Männer fragen, wo sie denn geblieben seien, bekräftigt sie und fügt hinzu: „Nirgends in der Welt wird der 8. März als ein politisches Ereignis betrachtet. Unsere Regierung politisiert selbst den 8. März.“

Sie fragt, ob der Iran wirklich allen Iranern gehöre, wie Ex-Präsident Khatami propagiert habe, oder „nur den iranischen Männern?“ Sie fragt: „Versteht man unter Volksherrschaft tatsächlich die Herrschaft des Volkes oder die Herrschaft der Männer über das Volk? Die Reformer müssen endlich klären, was sie für ein Frauenprogramm haben. Die Reformer müssen deutlich sagen, was sie über die mutigen Forderungen der Frauen denken? Im letzten Juni haben einige Reformer gesagt, dass sie an den Demonstrationen nicht teilnehmen werden, weil diese zu weit gingen.“

Dawudi-Mohajeri verteidigt das Recht der Iranerinnen sich auf die internationalen Menschenrechtsvereinbarungen stützen zu dürfen. Sie würden sich auf die international gültigen Menschenrechtskonventionen und Resolutionen berufen, die der Iran unterschrieben habe. Man könne „nicht die traditionellen Werte gegen die Akzeptanz der internationalen Konventionen ausspielen.“ Die Welt sei dank der modernen Medien kleiner geworden. Die iranischen Frauen müssten Kontakt mit der internationalen Frauenbewegungen pflegen. Sie betont, dass die „Spezifika der iranischen Frauenbewegung ihr nicht-ideologischer Charakter“ sei.[1]

„Ohne ausländischen Einfluss“

Die Frauenrechtlerin, Homa Zarafshan, schreibt, dass sie sich nicht allgemein über die Frauenunterdrückung auslassen will, sondern über die „konkreten und existierenden Probleme in der gegenwärtigen Frauenbewegung.“

Sie bemängelt, dass die Frauenbewegung sich noch nicht landesweit und jenseits der Großstädte organisieren konnte und stellt fest:
„Die Masse der Frauen, die den untersten Schichten der städtischen und agrarischen Gesellschaft entstammen, können immer noch keinen Widerstand leisten, obwohl sie unterdrückt werden.“ Zarafshan zufolge gehören die Aktivisten der Frauenbewegung hauptsächlich der iranischen Mittelsschicht an.

Gegenwärtig sei die Frauenbewegung hauptsächlich „eine intellektuelle Bewegung der Frauen. Diese hat sich noch nicht zu einer gesellschaftlichen Bewegung entwickelt. Es sind hauptsächlich studierte Frauen, Angestellte, Journalistinnen, Anwältinnen. Lehrerinnen und Studentinnen und Frauen, die schon mal ins Ausland gereist sind. Sie stellen alle selbstverständlich einen beachtenswerten Teil der Gesellschaft dar, die ihre eigenen und speziellen Interessen haben, die sie verteidigen müssen.“

Das Problem sei jedoch, fährt Homa Zarafshan fort, dass noch nicht einmal bei den Frauen der städtischen Mittelschichten die Forderungen der studierten Frauen angekommen seien. Nicht alle weiblichen Angestellte und nicht alle studierten Frauen würden die Forderungen der Frauenbewegung kennen. Zumindest sollen viele Frauen aus der Mittelschicht noch nicht einmal Kontakt mit der Frauenbewegung haben.

Zarafshan stellt in ihrer Analyse fest, dass generell intellektuelle Bewegungen zu schwach seien, um Machtverhältnisse zu verändern. Zudem müsse sich die Frauenbewegung zu einer sozialen Bewegung entwickeln. Die gesellschaftliche Bewegung im Iran müsse so stark werden, dass sie in die Lage kommt ihre Forderungen umzusetzen. Die Frauenbewegung solle ihren Blick nach unten richten, schreibt Zarafshan. Zunächst müsse die Frauenbewegung „horizontal“ wachsen und stärker werden, d.h. eine Mittelschichtbewegung werden. Dann müsse die Frauenbewegung sich auch „vertikal“ entwickeln, so dass sie auch die unteren Schichten der Gesellschaft erreicht.

Zarafshan verficht eine rein national orientierte Frauenbewegung und warnt interessanterweise vor ausländischen, insbesondere vor US-amerikanischen Einflüssen auf die iranische Frauenbewegung und geht davon aus, dass die gesellschaftlichen Bewegungen finanziell unabhängig handeln müssen.[2]

Der iranische Geheimdienstminister, Qolamhossein Mohssen Ejei warnte in einem sehr harten Ton vor einer „Zusammenarbeit der fünften Kolonne, der inneren Feinde mit ausländischen Elementen.“ Er betonte, dass der iranische Geheimdienst alle Bewegungen im In- und Ausland genau beobachte.[3]



[1] Roozonline, 26.3.2007, http://www.roozonline.com/archives/2007/03/003280.php
[2] Roozonline, 26.3.2007, http://www.roozonline.com/archives/2007/03/003291.php
[3] Aftab News, 28.3.2007, http://aftabnews.ir/vdcjhteuqoeoi.html

Wir sind Menschen zweiter Klasse

Im Iran kämpft ein breites Bündnis gegen Unterdrückung der Frauen per Gesetz. Ihre Gleichstellung wird seit Jahrzehnten wegen »Gefahr von außen« verschoben. Ein Gespräch mit Nahid Keshavarz
Mahmoud Bersani


Nahid Keshavarz ist Feministin und ­Mitglied im Kulturzentrum der Frauen in Teheran. Sie ist Mitinitiatorin einer Unterschriftensammlung gegen die ­Diskriminierung von Frauen im iranischen Recht, die von feministischen Organisationen und Persönlichkeiten getragen wird. Keshavarz selbst wurde am 4. März bei einer Protestaktion gemeinsam mit 34 weiteren Aktivistinnen festge­­nommen und nach 48 Stunden gegen Kaution wieder auf freien Fuß ­gesetzt (siehe jW vom 23.März).

Ein breites Bündnis feministischer Initiativen und Persönlichkeiten in Iran, unter ihnen Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi, hat eine Kampagne zur Sammlung von einer Million Unterschriften für die Abschaffung der gesetzlichen Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern gestartet. Wie werden Frauen in Iran rechtlich diskriminiert?
Die geschlechtsspezifische Diskriminierung ist sowohl in der zivilrechtlichen als auch in der strafrechtlichen Gesetzgebung sehr umfangreich. So verliert die Frau mit der Heirat eine Vielzahl von Rechten: die freie Wahl des Wohnsitzes, Reisefreiheit, das Recht, das Land zu verlassen, sogar das, außerhalb der Wohnung einen Beruf auszuüben. All das ist von der Zustimmung des Mannes abhängig. Die Frau hat ihm zu gehorchen. Männer dürfen mehrere Frauen haben und können sich, wann immer sie wollen, scheiden lassen. Umgekehrt kann eine Frau aber nur dann die Scheidung erreichen, wenn sie beweisen kann, daß sie schlecht behandelt wird, der Mann keinen Lebensunterhalt zahlt, drogensüchtig ist oder im Gefängnis sitzt.

Gilt die Rechtlosigkeit der Frau auch in bezug auf ihre Kinder?
Ja. Laut Gesetz kann eine Mutter niemals das finanzielle Sorgerecht für ihr Kind ausüben. Auch über den Wohnsitz des Kindes, ob es das Land verlassen kann, ja sogar über medizinische Angelegenheiten ihres Kindes darf die Frau keine Entscheidungen treffen.In Iran ist ein Mädchen bereits mit Vollendung des neunten Lebensjahres strafrechtlich mündig, ein Junge erst mit 15. Wenn es eine Straftat begeht, auf die die Todesstrafe steht, kann es sogar zum Tode verurteilt werden. Bestehenden Gesetzen zufolge wird die Staatsbürgerschaft iranischer Frauen nicht auf ihre Kinder übertragen. Das bereitet insbesondere Frauen Schwierigkeiten, die mit Afghanen verheiratet sind, denn ihre Kinder gelten nicht als Iraner und haben deshalb nicht automatisch das Aufenthaltsrecht.

Frauen sind nach iranischem Recht also »weniger wert«?
Definitiv. Die Schadensersatzansprüche der Frau sind nur halb so hoch wie die des Mannes. Ein Beispiel: Wenn im Straßenverkehr eine Frau und ein Mann einen Autounfall haben und als Folge dessen beide gelähmt sind, steht der Frau nur halb so viel an Entschädigung zu wie dem Mann. Söhne erben doppelt soviel wie Töchter. Die Ehefrau erbt, wenn sie Kinder hat, nur ein Achtel des Vermögens ihres verstorbenen Ehemannes. Wenn der Mann mehrere Frauen hatte, wird dieses Achtel unter ihnen aufgeteilt. Auf Grund und Boden haben Frauen überhaupt keine erblichen Ansprüche.Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Diskriminierungen. Beispielsweise kann ein Mann, der seine Frau mit einem anderen Mann erwischt, sie töten, ohne dafür belangt zu werden. Frauen werden in Gerichtsverhandlungen meist nicht als Zeuginnen zugelassen und wenn doch, dann ist die Aussage von zwei Frauen so viel wert wie die Aussage eines Mannes.

Wie wirken sich diese Gesetze praktisch auf das Leben der Frauen aus?
Wir sind Menschen zweiter Klasse. Frauen stehen ohne rechtlichen Schutz da. Für die ärmeren hat das besonders gravierende Auswirkungen, während es Frauen der Mittelschicht hier und da gelingt, die Gesetze zu umgehen. Ein Hinweis auf die katastrophale Lage vieler iranischer Frauen ist die hohe Selbstmordrate. Dies, obwohl über 60 Prozent derjenigen, die zu einem Hochschulstudium zugelassen werden, Frauen sind.

Wie kommt es, daß Frauen in Iran trotz der massiven Diskriminierungen im Alltag deutlich präsenter und auch selbstbewußter sind als in anderen Ländern der Region?
Das hat vor allem historische Gründe. Iranische Frauen kämpfen seit 100 Jahren für eine Veränderung ihrer rechtlichen und sozialen Lage. Mit der Frauenbewegung in Zusammenhang stand auch eine Bewegung von Intellektuellen, die sich für moderne Ideen und gleiche gesellschaftliche Rechte für alle einsetzte. Auch in der jüngsten iranischen Geschichte kämpften viele aufgeklärte Männer im Iran für eine Verbesserung der Situation der Frauen.Dabei engagierten sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts viel mehr Männer für Frauenrechte als während der iranischen Revolution im Februar 1979. In dieser Zeit wurde die Frauenfrage als nebensächliche Angelegenheit abgetan, ihre Behandlung auf die Zeit nach dem Sieg der »antiimperialistischen Revolution« verschoben. Die Revolution brachte den Iranerinnen keine Fortschritte auf rechtlichem Gebiet, sondern noch größere Rechtlosigkeit. Trotzdem führten die gesellschaftlichen Umbrüche im Gefolge der Revolution auch zu Veränderungen im Leben der Frauen. Die kulturelle Entwicklung der iranischen Gesellschaft steht aber weiterhin im Widerspruch zur rechtlichen Situation. Obwohl Frauen in den Ländern der Region ebenfalls mit vielfältigen Diskriminierungen konfrontiert sind, entwickelt sich dort – außer vielleicht in der Türkei – kein nennenswerter Widerstand. Das ist nur vor dem Hintergrund der historisch-kulturellen Unterschiede zwischen den Gesellschaften dieser Länder zu verstehen.

Was sind die Ziele der Kampagne?
Unsere größte Hoffnung ist es, die Diskussion über die Gleichstellung zwischen Mann und Frau auf eine breite Basis zu stellen. Wir wollen durch direkten Dialog mit Frauen und Männern in der Öffentlichkeit – auf der Straße, im Bus, in der U-Bahn – die Aufmerksamkeit auf die Frauendiskriminierung lenken. Bei der Unterschriftensammlung wird auch Informationsmaterial zur in den Gesetzen verankerten Benachteiligung verteilt. Viele Frauen, die unsere Petition unterschreiben, bleiben nicht passiv, sondern werden selbst zu Aktivistinnen der Kampagne. Mit einer Million Unterschriften können wir den Trägern der Macht zeigen, daß viele Frauen und Männer die Gleichstellung wollen. Keine Regierung kann die Forderungen der Bevölkerung auf Dauer ignorieren.

Wer hat die Unterschriftensammlung initiiert?
Die Idee kam von den Mitgliedern des Teheraner Kulturzentrums. Ihnen gelang es, sie zu einer von allen Frauengruppen getragenen Kampagne zu machen, in der die verschiedenen Generationen der iranischen Frauenbewegung zusammenkommen. Sie wird aber nicht zentral geleitet, sondern funktioniert als Netzwerk. Die Ziele und Forderungen sind klar formuliert. Auf dieser Grundlage hat jede Aktivistin freie Hand, ihre Arbeit selbst zu gestalten.

Befürchten Sie nicht, vor dem Hintergrund der andauernden US-Drohungen gegen den Iran für deren Zwecke vereinnahmt zu werden?
Ich bin wie viele andere iranische Bürger besorgt und habe Angst vor einem Krieg. Der Weg, den beide Staaten gehen, ist nicht in unserem Interesse. Leider haben wir keinerlei Mitspracherecht in diesem Spiel.In den vergangenen Jahrzehnten sind unsere Forderungen immer wieder unter dem Vorwand einer »Gefahr von außen« oder wegen anderer Probleme übergangen worden. Wir haben jedoch gar keine andere Wahl, als uns für die Änderung unserer Situation zu engagieren. Dabei brauchen wir dringend Unterstützung. Wir suchen sie aber nicht bei den westlichen Staaten, sondern bei den Frauen- und Menschenrechtsorganisationen anderer Länder.