Erklärung

Internationale Solidarität mit den Kämpfen der Frauen im Iran
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Nach 28 Jahren hat die iranische Frauenbewegung viele Tiefen und Höhen hinter sich gebracht. Stets hat sich die Frauenbewegung auf internationale Verträge gestützt, um Forderungen nach „Gleichberechtigung“ und „Aufhebung der diskriminierenden Gesetze“ zu erheben. Nun tritt die Bewegung in eine entscheidende Phase. Die Kämpfe der fortschrittlichen Frauen bei der Gründung von kulturellen Zentren, bei Gruppenaktivitäten und bei der Organisierung von Protestaktionen, wie z.B. der „Kampagne 1 Mio. Unterschriften“ und der Kampagne „Gegen Steinigung“ erwecken neue Hoffnungen.
Die Formulierung dieser Diskurse und das Voranbringen solcher sozialen Bewegungen werden ohne Zweifel die Forderungen nach „Gleichberechtigung“ und „Freiheit“ miteinander verknüpfen. Ohne Zweifel können wir sagen, dass heute die Frauenbewegung, parallel zu anderen freiheits- und gerechtigkeitsfordernden gesellschaftlichen Bewegungen im Zentrum der demokratischen Kämpfe steht.
Die Frauenbewegung im Iran hat Frauen und Männer mit unterschiedlichsten Vorstellungen um sich gesammelt, um die Forderungen nach Gleichberechtigung zu verteidigen, und soziokulturelle Aktionen durchzuführen, die alle Dimensionen der Macht in Frage stellen. Denn das Geschlechterverhältnis ist ein soziales, politisches und kulturelles Gebot, das alle Bereiche des Lebens, von der privaten Sphäre bis zur Gesellschaft umfasst. Daher führt die Auseinandersetzung mit der Frauenbewegung dazu, dass jedes Mitglied der Gesellschaft über alle privaten, sozialen und politischen Probleme kritisch nachdenkt. Im heutigen Iran ist „Badhejabi“ [unislamische Bekleidung] ein Grund für tägliche Angriffe der Regierungskräfte gegen Frauen, die Nein zum ideologischen Modell der islamischen Ordnung sagen. Gleichzeitig rechtfertigen die Herrschenden die Übergriffe und stabilisieren die Lage derjenigen, die in der Gesellschaft Angst und Schrecken verbreiten. Die Zwangsverschleierung der Frauen, die als die Manifestation ihrer Bevormundung zu betrachten ist, hat sich inzwischen zu einem Instrument der Unterdrückung auf allen gesellschaftlichen Ebenen verwandelt.

In Wirklichkeit ist die Lage der Frauen wie ein Spiegel für die Gesellschaft und der Feminismus ist eine Sichtweise, die Aufklärung über die Geschlechterbeziehungen betreibt und dadurch die komplizierten Machtbeziehungen in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aufdeckt. Das feministische Denken und Handeln kann nicht durch den Rahmen einer Partei oder einer Organisation begrenzt werden. Gleichzeitig kann nicht bestritten werden, dass die politischen und andere Gruppenrivalitäten hier miteinander konkurrieren. Wenn es um die Verteidigung der Frauenbewegung geht, ist es sehr wichtig, dies zu berücksichtigen.

Ohne Zweifel gehören die genannten Aktivitäten zu den wichtigen Aufgaben der fortschrittlichen iranischen Frauen, die erprobt werden müssen. Die Positionierung der Individuen und der Gruppen in Hinblick auf Freiheit und Gleichberechtigung und sozialer Gerechtigkeit der Frauen wird den Erfolg der Aktivitäten unter Beweis stellen.

Wir sind eine Gruppe von iranischen Frauen im Exil, die seit Jahren für die Verbesserung der Lage der Frauen kämpfen. Wir sind unter solchen gefährlichen Bedingungen zusammengekommen, um geeinte Schritte zur Unterstützung der Forderungen nach Gleichberechtigung der Frauen im Iran zu unternehmen und werden dabei unsere unterschiedlichen politischen Vorstellungen in diesem Zusammenhang zurückstellen. In diesen Jahren haben wir Nein zum „islamischen Feminismus“ gesagt und haben stets von der Notwendigkeit des unabhängigen Kampfes der Frauen gesprochen, um Gleichberechtigung und Freiheit zu erreichen.
Unsere gemeinsamen Schritte basieren auf folgendem Minimalkonsens:

1) Die notwendige und aktive Verteidigung der Frauenbewegung in Iran erfolgt auf der Grundlage der internationalen Menschenrechtserklärungen und der Frauenrechte. Dabei fordern wir „Gleichberechtigung“, um alle geschlechtsspezifischen Diskriminierungen aufzuheben.
2) Wir glauben fest daran, dass die Forderungen der Frauen nach Freiheit und Gleichberechtigung mit keiner Erklärung und Interpretation der ethnischen, religiösen und nationalen Identitäten einschränken werden. Daher sind wir der Überzeugung, dass der „islamische Feminismus“ und die „islamischen Menschenrechte“ den Weg zu Freiheit und Gleichberechtigung nicht ebnen werden.
3) Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Forderungen nach „Gleichberechtigung“ mit den Forderungen nach „Freiheit“ verknüpft werden, um eine breite Frauenbewegung zu organisieren, die sich mit anderen demokratischen Bewegungen vereinigt.
4) Wir kämpfen gemeinsam gegen die Zwangsverschleierung, die die Manifestation der Bevormundung der Frauen darstellt und ein Instrument der geschlechtspezifischen Diskriminierung ist.
5) Wir gehen davon aus, dass die Fortsetzung der Unterdrückungsmaßnahmen die Frauenbewegung zu einem Tiefpunkt bringen kann. Da wir im Exil jedoch über die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung verfügen, wollen wir, unter Beibehaltung unserer Meinungsvielfalt, den Kampf der Feministinnen in Iran unterstützen.

Mit diesem Aufruf wollen wir in europäischen Städten und in Nordamerika verschiedene Maßnahmen ergreifen, um aktiv die Frauenbewegung in Iran zu unterstützen. Wir fordern alle Frauen auf, die unsere Positionen teilen und die Gefahren der gegenwärtigen Verhältnisse erkennen, mit uns zusammenzuarbeiten.


Folgende Personen haben die Erklärung unterzeichnet. Die Anordnung der eingetragenen Namen erfolgt alphabetisch:

1- Shahla Abghari – USA
2- Simin Afshar – Deutschland
3- Ealahe Amani – USA
4- Negar Amuzandeh – Kanada
5- Irandocht Ansari – Frankreich
6- Lehila Aslani – Deutschland
7- Anna Asieh Pak – Frankreich
8- Mariam Azimi – Deutschland
9- Chahla Chafiq – Frankreich
10- Mahvash Dalai – Deutschland
11- Haideh Daragahi – Schweden
12- Jasmin Darvish – Österreich
13- Parvin Ebrahimzadeh - Deutschland
14- Giti Edalati – Deutschland
15- Shahla Feyzi – Deutschland
16- Ghodsi Hejazi – Deutschland
17- Farmiah Ijadi – Deutschland
18- Sholeh Irani – Schweden
19- Atefe Jafari – Deutschland
20- Golroch Jahangiri – Deutschland
21- Mihan Jazani – Frankreich
22- Fatemah Kabiri – Deutschland
23- Monireh Kazemi - Deutschland
24- Nargese Kermanshahi – Kanada
25- Sima Mahzari – Deutschland
26- Soheila Mirzai – Deutschland
27- Akram Mosavi – Deutschland
28- Nahid Nosrat – Deutschland
29- Hamila Nisgili – Deutschland
30- Mariam Nouri – Deutschland
31- Mahshid Pegahi – Deutschland
32- Katayon Pirdavari – Deutschland
33- Mahshid Rasti – Schweden
34- Mahan Rusat – Deutschland
35- Nasrin Saadeghi – Deutschland
36- Saideh Sadat – Deutschland
37- Elahe Sadr – Deutschland
38- Parvin Saghafi – Deutschland
39- Giti Salami – Deutschland
40- Parvaneh Sepehr – England
41- Jaleh Talen Hariri – Deutschland
42- Parvaneh Zargar – Deutschland
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Internationales Netzwerk zur Solidarisierung mit der iranischen Frauenbewegung
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Iran: Ein Gedenktag der Frauenbewegung

Vor zwei Jahren ist der 12. Juni in die Geschichte der iranischen Frauenbewegung eingegangen. In den letzten beiden Jahren wurden die Protestveranstaltungen anlässlich der Niederschlagung der friedlichen Demonstration für Menschenrechte gewaltsam im Keime erstickt. In diesem Jahr fanden die Gedenkveranstaltungen zum 12. Juni in privaten Räumen statt.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die reformislamistische Bewegung im Iran gescheitert ist und diese darüber hinaus nicht die Interessen der iranischen Frauenbewegung vertreten konnte, entschieden sich die Frauen, eine unabhängige zivilgesellschaftliche Bewegung zu organisieren, kommentierte Frau Dr. Ladan Borumand in der persischsprachigen Sendung von Voice of America. Sie sagte, dass „die iranischen Frauen sich nach dem Scheitern der Reformbewegung entschieden haben, nicht mehr auf die staatliche Politik zu vertrauen, sondern eine eigenständige gesellschaftliche Bewegung zu organisieren.“ Diese Entscheidung sei schon vor der Wahl Ahmadinejads unter der Präsidentschaft Khatamis getroffen worden. Die Frauen würden der Staatspolitik nichts mehr abgewinnen können und setzten daher nur auf eine demokratische Bewegung von unten. Bahere Hedayat, eine Anruferin, die das iranische Exilradio aus Teheran anrief, erzählte authentisch, dass die Proteste sich fortsetzen würden, aber im Stillen. Sie kritisierte besonders scharf die von Regierungsmitgliedern propagierte Polygamie, die „eine staatliche Förderung von Prostitution“ darstelle.
Erklärung der 700
In einer Erklärung, die von mehr als 700 im Iran lebenden „Verteidiger der Menschenrechte“ unterzeichnet wurde, wird auf die Kampagne "1 Million Unterschriften" hingewiesen. Mit dieser Kampagne versuchen die iranischen Frauenrechtlerinnen eine breite gesellschaftliche Basis zur „Änderung der diskriminierenden Gesetze“ herzustellen. Im November letzten Jahres kündigten iranische Frauenrechtlerinnen in Teheran öffentlich die Kampagne „1 Million Unterschriften“ an. Es geht um die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern und um die Umsetzung der universellen Menschenrechte.
In der Erklärung erinnern die 700 Unterzeichner an die in den letzten Monaten verhafteten Personen, an Verhöre, an hohe Kautionen, die im Falle der Freilassung von Verhafteten eine große Belastung darstellten. In 121 Fällen seien mehr als rund 1 Million Euro Kaution zur Freilassung von festgehaltenen Frauen verlangt worden. Damit versucht die Diktatur die Bewegung regelrecht finanziell zu ruinieren. Für friedlich demonstrierende Frauen seien bis zu 9 Jahren Haftstrafe ausgesprochen worden. Nach offiziellen Zahlen seien 14.635 Frauen in verschiednen Teilen des Iran verhaftet worden, mehr als 67.000 Frauen seien verwarnt worden. In der Erklärung heißt es: „Die Dimensionen dieser Katastrophe sind sehr groß. Es scheint, als ob die permanente Institutionalisierung von Angst in den Herzen der Frauen das Ziel sei, damit diese sich nicht mehr in der Gesellschaft präsent zeigen. Man will die Frauen zwingen zu Hause zu bleiben.“
In der Erklärung wird betont, dass die jungen Studentinnen sich immer stärker an der Studentenbewegung beteiligen. Es wird kritisiert, dass in diesem Jahr die Studienplätze an den Universitäten „geschlechtsspezifisch rationiert“ worden seien. Das Ziel sei „die Zahl der studierenden Frauen zu verkleinern, damit sie keine höhere Bildung mehr genießen.“ Neben Verhaftungen seien einige Studenten exmatrikuliert worden, meist Frauen. Kritisiert werden nicht nur Belange der Frauen, sondern die Zerschlagung der Lehrer- und Arbeiterproteste, sowie die Ausweisung der Afghanen.
Die schwächsten Glieder der Gesellschaft, Frauen und Kinder, seien diejenigen, die am meisten unter den harten staatlichen Repressionen leiden würden. Gleichzeitig stellen die Autoren der Erklärung einen Zusammenhang mit den Problemen her, die die iranische Regierung in der internationalen Diplomatie hat. Dies würde den Druck auf die Gesellschaft verstärken. Dies sei eine dunkle Seite des Problems. Positiv sei jedoch, dass die aktive Präsenz der Frauen bei den gesellschaftlichen Kämpfen deswegen keineswegs abnehmen würde. Die Frauenbewegung würde in langsamen Schritten stetig weitergehen.
Niemand kann die Bewegung stoppen
Mit Hilfe verschiedener Kampagnen, wie der Kampagne „1 Million Unterschriften“ oder der Kampagne gegen Steinigung, seien zumindest Probleme innerhalb der staatlichen Gesetzgebung, wie das Blutgesetz oder die Strafmündigkeit von Kindern öffentlich thematisiert worden. Die Unterzeichner erklären, dass sie ihren Kampf gegen die Diskriminierung fortsetzen werden. Dabei würden sie mit der Methode „von Angesicht zu Angesicht“ arbeiten und damit die Iraner und Iranerinnen über die diskriminierenden staatlichen Gesetze aufklären, um so die Grundlage für eine sozial aufgeklärte und breite Bewegung zu schaffen. Eine solche Bewegung sei der Beweis dafür, dass die Aktivisten gelernt haben, sich mit viel Geduld für die gerechten Forderungen der iranischen Frauen einzusetzen. Die Unterzeichner warnen die Machthaber davor, dass falls die aggressiven Schritte gegen die Frauenaktivitäten fortgesetzt werden, die gesellschaftlichen Probleme in eine Sackgasse geraten und dadurch unlösbar werden könnten.
Shirin Ebadi, Friedensnobelpreisträgerin, sagte auf einer kleinen privaten Versammlung am letzten Dienstag in Teheran: „Sie haben uns Leid angetan. Sie machten uns aktenkundig. Aber vergessen wir nicht, dass wir nichts umsonst bekommen werden.“ Sie betonte, dass sich inzwischen Frauen unterschiedlichster Couleur aktiv an der Kampagne 1 Million Unterschriften beteiligen würden. Sie sagte weiterhin: „Die Kampagne 1 Million Unterschriften ist heute schon so groß, dass niemand mehr, noch nicht einmal wir selbst, diese Bewegung stoppen können.“
Ohne Islamisten
Im Exil differenziert sich die iranische Frauenbewegung zunehmend. In einer Erklärung gaben Mitglieder eines iranischen Frauennetzwerkes, das sich in Europa und den Vereinigten Staaten neu organisiert hat, nicht nur ihre Solidarität mit der Frauenbewegung im Iran bekannt. Sie schrieben unter anderem, dass die „Forderungen der iranischen Frauen nach Freiheit und Gleichberechtigung durch keine ethnische, religiöse oder nationale Identität eingeschränkt werden dürfe. Daher werden auch der ‚islamische Feminismus’ und die ‚islamischen Menschenrechte’ kein Weg zu Freiheit und Gleichberechtigung sein.“ Gleichzeitig könnten aber Angehörige sehr unterschiedlicher Religionen sowie ungläubige Atheisten die universellen Werte der Menschenrechte, der Freiheit und der Gleichberechtigung der Frauen verteidigen und den Weg ihrer Umsetzung anbahnen.


von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE